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Guatemala

Morgen im Dschungel, Ort und Zeit, Natur und Poetik



episode 1
samova tea's scuba garden and high darling in front of jungle panorama
Der frühe Morgen kleidet sich in einem Schleier von Nebel und küsst die zahlreichen Berge und Bäume mit sanftem Tau. Die Vögel beginnen zu singen und der Dschungel erwacht erneut zum Leben. Mit jeder Minute bahnt sich die Sonne ihren Weg durch das Wolkendickicht im Himmel und taucht die tiefgrünen Blätter in goldenes Licht. Es ist 5 Uhr am Morgen hier im Eco Hotel Utopia, ein Refugium versteckt in den Tiefen des Dschungels von Guatemala, in welchem ich mir meine erste Tasse Kaffee genehmige. Barfuß laufe ich über die weichen Holzdielen und streichele einen der zahlreichen Hunde, die hier ebenfalls Zuhause sind. Es sind insgesamt 11 Hunde, die sich nach und nach im Gemeinschaftsbereich einfinden und auf ihre morgendliche Portion Liebe warten. Bereits seit drei Wochen wache ich in den frühen Morgenstunden gemeinsam mit dem Dschungel hier in Semuc Champey auf und genieße jede Sekunde. Vergangene Nacht schlief ich mit dem Klang des Regens ein, der hier inmitten der Wildnis besonders stark ist und sich für mich in ein Schlaflied verwandelt hat. Der Regen kühlt die Luft und bringt das Haar zum Locken. Meine liebsten Nächte.
picture of jungle treetops
Der Duft des frisch gekochten Kaffees und des gerösteten Brotes lockt die verschlafenen Gäste allmählich aus ihren Zimmern und erfüllt das Hotel mit Leben. Der Tag beginnt. Ein besonderer noch dazu, denn heute nehme ich an der Kakao Tour teil, welche ein einzigartiges Erlebnis Utopias darstellt. Denn nur ein paar Schritte entfernt befindet sich eine bunte Kakao Farm, die aus hunderten von Kakaobäumen und weiteren Pflanzen besteht, die im Zusammenschluss ein eigenes Ökosystem darstellen. Jeden Tag erwachsen aus den kleinen rosa Blüten neue Früchte und schenken den hier lebenden Menschen frische Kakaobohnen, aus denen die Mitarbeiter*innen allerlei Speisen herstellen. Von dunklen Kakaonibs und feinem Kakaopulver bis zu knackiger Schokolade und köstlichen Kuchen. Ein absolutes Highlight auch der Eistee aus Kakaoschale. Doch dazu kommen wir noch etwas später, denn es ist bereits so weit und die silberne Glocke an der Rezeption läutet, um den Beginn der Tour anzukündigen.
Deniz on the way to the cocoafarm

“Everyone ready for the Cacao Tour?”

Nach einer herzlichen Begrüßung folge ich Jenny, der Tourleiterin des Tages, in die Tiefen der Kakaofarm. Der Pfad zur Farm führt vorbei am Haus der Gründer John und Pia und ihren beiden Kinder Obi und Indy. Der Klang ihres Lachens wird mit den Blättern in die Farm getragen und erfüllt den Weg mit Heiterkeit. Über eine lockere hölzerne Brücke schlendere ich den Pfaden der Kakaofarm entlang und bewundere die Vielzahl an Bäumen, Pflanzen und Blumen, auf welchen bunte Insekten zu tanzen scheinen.

Historie und Kakaowissen

Jenny, eindeutig eine Kakao Veteranin, erzählt von der Entstehung dieser Farm sowie all den Hürden, die mit dieser Entscheidung einhergingen. Der Weg war kein leichter, denn die Blüten der Kakaobäume sind äußerst sensibel und können ausschließlich durch die Bestäubung von Insekten zu den wundersamen Früchten wachsen. In einem Jahr produziert ein Kakaobaum bis zu 100.000 rosarote Blüten, von denen lediglich 1- 5% erfolgreich bestäubt werden. Von diesem kleinen Anteil wächst ein Bruchteil zu tatsächlichen Früchten heran. Je nach Größe des Baumes trägt ein Kakaobaum im Jahr bis zu 30 Schoten, in guten Jahren auch bis zu 50, welche über das gesamte Jahr über geerntet werden können.

Doch bei den Blüten ist Vorsicht geboten. Eine kleine Berührung kann zum Abfallen dieser führen und demnach das mögliche Geschenk einer heranwachsenden Kakaofrucht verhindern. Wie außergewöhnlich, denn die reife Frucht selbst kann bis zu 25 cm groß werden und hängt an einem kleinen, sehr festen Ast. Die Schale erweist sich als unglaublich hart und macht es jeglichen Tieren fast unmöglich, die Kakaobohnen selbst zu vertilgen. Was für eine Transformation. Nicht verwunderlich, dass die Maya die Kakaofrucht als ein Geschenk der Götter angesehen haben.

cacao blossums hanging from a thick branch
cacao plant
Was für eine Transformation. Nicht verwunderlich, dass die Maya die Kakaofrucht als ein Geschenk der Götter angesehen haben. Ein weiterer sehr wichtiger Teil in der Geschichte des Kakao, unterstreicht Jenny. Denn der Kakao stellte einen integralen Teil des Glaubens, der dazugehörigen Rituale und des sozialen Zusammenlebens der Maya dar. Neben dem Gebrauch als Zahlungsmittel wurde die flüssige Schokolade auch als Blut der Götter angesehen und als Opfergabe dargeboten. Traditionell tranken die Maya ihren Kakao mit warmem Wasser und verschiedenen Gewürzen wie Chilli, Pfeffer oder Vanille, was für gewöhnlich nur zu besonderen Anlässen wie Ritualen, Opfergaben oder vor wichtigen Schlachten üblich war. 
Einer meiner liebsten Überlieferungen aus dem Madrid Codex veranschaulicht eine Verhandlung zwischen der Göttin des Mondes IxChel und des Gottes des Regens Chac, in welcher der Austausch von Kakao eine wichtige Rolle einnimmt. Es wird angenommen, dass sowohl die Fruchtbarkeit der Erde als auch die Kontinuität der Jahreszeiten in diesen Gesprächen verhandelt wurden, was in diesem Kontext auf den Erhalt des Regens und der Mondphasen hinweist. Der Kakao als Mittel des Austauschs zwischen Göttern verleiht diesem damit eine schöpferische Qualität.

Darüber hinaus erzählt Jenny von den vielen verschiedenen Sprachen der Maya, die bis heute noch gesprochen werden. Hier in Semuc Champey wird beispielsweise Q'eqchi' gesprochen. “Wa’ xin”, was so viel wie “Guten Tag” bedeutet, stellt mein erstes Wort in Q’eqchi’ dar. Eine wundersame Welt, die sich mir durch diese geschichtlichen Hintergründe eröffnet. Verrückt, dass ich bis zum heutigen Zeitpunkt mehr oder weniger gedankenlos in den Laden spazierte und Schokolade und Kakao kaufte, ohne zu wissen, welch reichhaltige Geschichte diese Wunderfrucht trägt. All dieses Wissen lässt mein kleines Archäologenherz jedoch höher schlagen.

Dreiss, M. L., und S. Greenhill. Chocolate: Pathway to the Gods. University of Arizona Press, 2008 (Seite 35 & 36) 

foto from a book showing a mayan painting of people drinking chocholate
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“It opens up your heart”



In der zweiten Episode unserer Guatemala-Serie interviewt Deniz Jenny während sie weiter den Kakao verarbeiten.

Episode 2
a group of people around a table handling cocal beans